Berlin Update #2: Von Teppichhändlern, Welpen und Wollmilchsäuen
„So schwer war es noch nie“, hieß es aus der Teppichhändlerrunde. Dort werden die Plätze für die Ausschüsse und andere Posten ausgehandelt. So läuft es zumindest in der Unionsfraktion im Bundestag. In der Runde sitzen die Vorsitzenden der Landesgruppen. Für NRW ist das Günter Krings, Bundestagsabgeordneter aus Mönchengladbach.
Das Personaltableau sortiert sich von oben nach unten: Erst Minister und Staatssekretäre, dann Fraktionsvorstand und Ausschussvorsitze, schließlich die Ausschussmitglieder. Proporz, Vorlieben und Vorerfahrung spielen bei der Verteilung auf die Ausschüsse eine Rolle. Was den Anschein eines Postengeschachers erweckt, erfüllt eine zutiefst demokratische Aufgabe. Die Ausschussmitglieder werden durch die Fraktionen benannt. Sie erfüllen so eine Aufgabe für die Fraktion, können jederzeit auch abberufen werden.
Innerhalb der fraktionsinternen Arbeitsgruppeerhält jeder Abgeordnete einen bestimmten Arbeitsbereich - die sogenannte Berichterstattung. Also zum Beispiel - wie bei mir - in der Arbeitsgruppe Verkehr die Berichterstattung für Binnenschifffahrt. Hier bin ich der Ansprechpartner der Fraktion – nach außen wie intern. Nach meinem Verständnis müssen Wahlkreisabgeordnete zu vielen Themen sattelfest sein. In der parlamentarischen Arbeit, die eben vor allem in den Arbeitsgruppen und Ausschüssen stattfindet, gibt es zudem eine Spezialisierung. Anders geht es nicht, dafür sind viele Themen letztlich zu komplex.
Und wie ging die Parlamentslotterie für mich aus? Mit ordentlichen Mitgliedschaften in den Ausschüssen für Verkehr und Recht sowie drei stellvertretenden Mitgliedschaften (Haushalt, Europa, Entwicklung) werde ich mich über Arbeit, aber auch Einflussmöglichkeiten nicht beschweren können.
Zur Binnenschifffahrt durfte ich bereits meine erste Rede im Bundestag halten. Die erste Rede eines Abgeordneten wird immer durch das Präsidium angekündigt. Dazu gibt es eine stillschweigende Übereinkunft aller Fraktionen: Es gilt Welpenschutz! Keine Zwischenfragen, keine Zwischenrufe. Insofern dürfte auch meine zweite Rede eine Premiere werden.
Auch ich muss mich in manche Themen erst vertieft einarbeiten. Im politischen und parlamentarischen Alltag bleibt dafür kaum Zeit: Sitzungen, Besuchergruppen, Wahlkreisanliegen, Terminplanung, Presseanfragen, Social Media und vieles mehr. Ein Bundestagsabgeordneter ist eine eierlegende Wollmilchsau. Möchte man zwei Stunden am Stück am Schreibtisch sitzen, muss man sich diese Zeit bewusst nehmen. Das ist mein Auftrag für die nächsten Monate. Denn es gibt genug zu tun, zu verstehen, zu verbessern. Jetzt heißt es: auf den Hosenboden setzen!
Zuerst erschienen unter: https://wi-paper.de/show/ab0f4f3e8dc7/epaper, S. 11