Das Sondervermögen ist kein Selbstbedienungsladen

Von Yannick Bury und Carl-Philipp Sassenrath

veröffentlicht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 12.06.2025

Das Sondervermögen Infrastruktur kann eine Chance für Deutschland werden. Denn die Investitionsbedarfe in die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes sind groß. Gleichzeitig überträgt die Grundgesetzänderung zum Sondervermögen dem Parlament eine besondere Verantwortung, diese Mittel zielgerichtet und generationengerecht einzusetzen. Als Vertreter der jüngeren Hälfte der Bevölkerung geht es uns darum, sicherzustellen, dass die zusätzlichen Mittel tatsächlich in eine sinnvolle Ertüchtigung unserer Infrastruktur fließen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes für kommende Generationen gestärkt wird. Gleichzeitig muss durch die konkrete Ausgestaltung des vom Bundestag auf den Weg gebrachten Finanzpaketes die finanzielle Handlungsfähigkeit kommender Generationen erhalten werden. Die weitere Gesetzgebung zum Sondervermögen bietet die Möglichkeit, beide Ziele zusammenzubringen. Wir schlagen sechs Eckpunkte vor, wie dies gelingen kann.

Erstens: Das Sondervermögen muss Kapazitätsausweitungen ermöglichen. Es soll nicht die Preise treiben, sondern nachhaltig die Kapazitäten in der Baubranche steigern. Das gelingt nur, wenn das Sondervermögen mit einem ansteigenden Ausgabepfad ausgestaltet wird und damit die Kapazitätsausweitung für die Wirtschaft planbar macht.

Zweitens: Ohne strukturelle Reformen verpuffen die zusätzlichen Mittel. Die Freigabe verschiedener Tranchen des Sondervermögens sollte deswegen gesetzlich Zug um Zug an messbare Erfolge bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren gekoppelt werden.

Drittens: Das Sondervermögen ist kein Selbstbedienungsladen. Daher braucht es im Gesetz klar definierte Investitions- und Infrastrukturziele - für die Mittel des Bundes ebenso wie für die Anteile der Länder und des Klima- und Transformationsfonds. Zudem gilt es abzusichern, dass die zusätzlichen Mittel in tatsächlich werthaltige Investitionen fließen, von denen ein generationenübergreifender Mehrwert ausgeht - und nicht bloß als Lückenfüller für entstehenden Haushaltslücken genutzt werden. Um dies sicherzustellen, sollten - erstmalig für den Bund - die aus dem Sondervermögen finanzierten Projekte in ihrem Wert erfasst und über ihre Nutzungsdauer hinweg abgeschrieben werden. Dies würde nicht nur ausufernde Interpretationen des Investitions- und Infrastrukturbegriffes von vornherein einschränken, sondern gleichzeitig auch den Tilgungszeitraum vorgeben - denn jede Maßnahme sollte bis zum Ende des Abschreibungszeitraums getilgt sein.

Viertens: Das Sondervermögen muss transparent sein. Noch stärker als beim Sondervermögen für die Bundeswehr sollte das Parlament beim Sondervermögen Infrastruktur nicht nur auf weitreichende Berichts- und Informationsrechte bestehen, sondern vor allem bei den konkreten, aus dem Sondervermögen zu finanzierenden Infrastrukturmaßnahmen auch im Einzelfall aktiv mitentscheiden und dadurch auch für die Öffentlichkeit Transparenz darüber herstellen, in welche zusätzlichen Projekte die zusätzlichen Mittel tatsächlich fließen.

Fünftens: Das Sondervermögen muss vor Ort wirken. Den Großteil der Infrastrukturinvestitionen im Land tragen die Kommunen. Deswegen müssen die den Ländern zugedachten Finanzmittel zum überwiegenden Teil in der kommunalen Ebene ankommen. Durch Mindestquoten zur Durchreichung der Mittel kann dies abgesichert werden.

Sechstens: Das Sondervermögen ist kein Freibrief. Seine Kernaufgaben, und dazu gehört die Finanzierung einer wettbewerbsfähigen Infrastruktur des Bundes, muss der Bund mittelfristig wieder aus seinen laufenden Einnahmen finanzieren können. Das Sondervermögen bietet die Chance, zur Anschubfinanzierung für diese notwendige Korrektur der Haushaltsstruktur zu werden. Dafür müssen Regierung und Parlament trotz zusätzlicher Mittel den Mut aufbringen, die Struktur des Bundeshaushaltes zu korrigieren. Um dies sicherzustellen, sollte die im Zuge der Grundgesetzänderung angedachte Investitionsquote von zehn Prozent im Errichtungsgesetz nachgeschärft werden und jährlich ansteigen - damit nach Auslaufen des Sondervermögens 2037 im Bundeshaushalt ein dauerhaft hohes Investitionsniveau fortgeschrieben werden kann.

Richtig eingesetzt und mit den notwendigen Sicherheitslinien ausgestattet, bieten die zusätzlichen Mittel für Investitionen in die Infrastruktur die Chance, nicht nur liegen gebliebene Investitionen in die Infrastruktur nachzuholen, sondern auch liegen gebliebene Anpassungen in der Struktur der Bundesfinanzen in Angriff zu nehmen. Der Anspruch zu beidem sollte die konkrete Ausgestaltung des Sondervermögens durch das Errichtungsgesetz prägen - damit kommende Generationen nach Auslaufen des Finanzpaketes nicht nur eine wirklich ertüchtigte Infrastruktur vorfinden, sondern auch strukturell gesunde Staatsfinanzen.

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